Sonntag, 12. Juli 2009

Der Substanzwert der Unternehmung


1922 ebnete Schmalenbach den Weg für das Prinzip der Zukunftsbezogenheit in der Unternehmensbewertung und damit für die Ertragswert - Methode. 1965 legte sein akademischer Schüler Hans Münstermann mit seiner Schrift Wert und Bewertung der Unternehmung Ergebnisse einer umfassenden Erforschung der Gesamtproblematik der Zukunftserfolgswert - Methode vor. Eine besonders wichtige Vorarbeit für dieses Werk leistete sein Assistent Günter Sieben mit seiner 1962 unter dem Titel Der Substanzwert der Unternehmung veröffentlichten Arbeit:


Zur Anwendung des Substanzwertes schreibt Günter Sieben:


Die Auffassungen über die Anwendung des Substanzwertes weichen in der Theorie und Praxis der Unternehmungsbewertung stark voneinander ab. Während in der Bewertungstheorie das Prinzip der Bewertungseinheit und damit der Nutzwert im Vordergrund steht, neigt die Bewertungspraxis dem Prinzip der Einzelbewertung und damit dem Substanzwert zu.


Wenn Münstermann hervorhebt, daß der Erfolgswert als Nutzwert des Gesamtbetriebes "theoretisch den Vorzug absoluter Richtigkeit" besitzt und "der einzig exakte Betriebsgesamtwert" ist, dann entspricht dies der Auffassung aller maßgeblichen Autoren. So bezeichnet Hax den Zukunftserfolgswert als den einzig "wahren Wert der Unternehmung", nach Mellerowicz "ist kein anderer Wert neben im denkbar". Schmalenbach begründet diesen allgemeinen Standpunkt, wenn er darauf hinweist, daß der Wert einer jeden Sache und damit auch der Wert einer Unternehmung von ihrer "Nutzenstiftung" abhängt.


Im Gegensatz dazu wird der Substanzwert von Bewertungspraktikern noch häufig gegenüber dem Zukunftserfolgswert bevorzugt. Die Begründungen, die hierfür angegeben werden, sind zahlreich; teils wird die Feststellung angezweifelt, daß der Nutzen allein bestimmend für den Wert einer Unternehmung sei, teils auf die größere Sicherheit der Ermittlung des Substanzwertes und die Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Zukunftserfolgswertes hingewiesen.


......


Offensichtlich ist es den Bewertungstheoretikern bis heute noch nicht gelungen, dem Mythos, der die Substanzbewertung umgibt, erfolgreich entgegenzutreten. Im Gegenteil, in der Literatur selbst werden hin und wieder Stimmen laut, die im Anschluß an die Argumente der Praxis eine Vorrangstellung des Substanzwertes vor dem Zukunftserfolgswert betonen oder doch zumindest für eine Gleichberechtigung beider Wertgrößen eintreten.


Die Substanzwerttheorie ist infolge des Fehlens einer klaren, geschlossenen und überzeugenden Konzeption in eine Sackgasse geraten. Ihr zu entrinnen muß solange mißlingen, wie selbst ein großer Teil der ernsthaftesten Verfechter der Erfolgsbewertung dem Substanzwert bei ihren theoretischen Untersuchungen noch immer Funktionen zubilligen, die er niemals erfüllen kann.


Günter Sieben kommt in seiner Arbeit zu dem folgenden Ergebnis:


Während seither versucht wurde, den Streit, der sich in der Alternative Zukunftserfolgswert oder Substanzwert zuspitzt, durch die Betonung des Primats des ersten zu beenden, wurde in dieser Arbeit der umgekehrte Weg beschritten: Die in der Literatur und der Bewertungspraxis dem Substanzwert zugeschriebenen Funktionen, die allein schon durch ihre Vielzahl den Eindruck einer besonderen Bedeutung dieser Wertgröße für die Ermittlung des betrieblichen Gesamtwertes erwecken mußten, wurden isoliert überprüft.


Das Ergebnis ist radikaler als das aller bisherigen Untersuchungen. Es besagt, daß keine der genannten Funktionen des Substanzwertes für sich allein eine Ermittlung dieser Wertgröße rechtfertigt, zumal sämtliche Aufgaben, wie im einzelnen nachgewiesen wurde, mit Hilfe der reinen Erfolgsbewertung zuverlässiger erfüllt werden können. Somit ist weder die Kenntnis des Substanzwertes als Summe der Rekonstruktionswerte der in der Unternehmung gebundenen Vermögensteile eine notwendige Voraussetzung noch der Substanzwert eine besonders geeignete Hilfsgröße für die Errechnung des Zukunftserfolgswertes.


Weitaus wichtiger ist es für den Bewerter, sich einen genauen Überblick über die in der Unternehmung vorhandene Substanz zu verschaffen. Je nach ihrer Beschaffenheit muß früher oder später mit den Anfall der ersten Ausgaben für den laufenden Betrieb und die Erhaltung der Unternehmung gerechnet werden. Der Anfall der Ausgaben wirkt aber direkt auf die Gestaltung der Zahlungsströme ein, die ihrerseits wiederum den Gesamtwert der Unternehmung bestimmen.




(Sieben:
Der Substanzwert der Unternehmung, Köln 1963, S. 10 - 11, S. 77 - 78)








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