Mittwoch, 12. August 2009

Das individuelle Entscheidungsfeld in der investitionstheoretischen Unternehmensbewertung


Der Wert eines Unternehmens ist von der Entnahmezielsetzung sowie von dem individuellen Entscheidungsfeld des Bewertungssubjektes abhängig. Dieses Entscheidungsfeld besteht aus den Handlungsmöglichkeiten des Bewertungssubjektes, aus den von ihm nicht zu beeinflussenden Restriktionen und aus den Ergebnissen, die sich aus dem Zusammenwirken von Handlungsmöglichkeiten und Restriktionen ergeben bzw. ergeben haben. Als Ergebnisse sind die Zahlungsströme an den Investor und bereits vorhandene Eigentumsanteile an Unternehmen zu betrachten.


In Bezug auf die Handlungsmöglichkeiten wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass das Bewertungssubjekt gezwungen ist, eine der Handlungsmöglichkeiten zu ergreifen, das heißt, es muss bei gegebenen Informationen seine Möglichkeiten voll ausschöpfen. Gleichzeitig kann das Bewertungssubjekt nur eine einzige dieser Alternativen realisieren; alle anderen Handlungsmöglichkeiten sind damit ausgeschlossen (Exklusionsprinzip).


Das Bewertungssubjekt kann seiner Handlungsentscheidung kein unmittelbares Ergebnis als Zahlungsstrom zuordnen. Es hängt von Restriktionen bzw. Nebenbedingungen ab, die das Bewertungssubjekt nicht selbst beinflussen kann. Je nach Kenntnis der Wirkungen dieser Restriktionen unterscheidet man drei Fälle:


1. Ist lediglich bekannt, dass sich irgendeine dieser Restriktionen auswirken wird, spricht man von Unsicherheit.


2. Sind Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten von Restriktionen bekannt, liegt Risiko vor.


3. Sind sämtliche Restriktionen und Nebenbedingungen mit ihren jeweiligen Wirkungen bekannt, herrscht Sicherheit.



Die aus den Handlungsentscheidungen und Restriktionen resultierenden Zahlungsströme werden mithilfe der Rechenverfahren der Investitionstheorie bewertet. Kapitalwertkalkül und interne Zinsfuss - Methode sind die am weitesten verbreiteten Verfahren. Der Wert eines Zahlungsstroms hängt im Grunde von der Höhe des Grenznutzens der Unternehmensanteile sowie von seiner stets subjektiven Grenzverwendung ab. Derselbe Zahlungsstrom kann in den jeweiligen Entscheidungsfeldern unterschiedlicher Bewertungssubjekte vollkommen verschiedene Werte haben; er konkurriert mit den jeweils individuellen Grenzverwendungen der Bewertungssubjekte.



Konkret kann es sich bei derartigen Grenzverwendungen von Zahlungsströmen um Geldanlagen am Kapitalmarkt, um die Tilgung hochverzinslicher Kredite oder um den Erwerb von Eigentumsanteilen an anderen Unternehmen handeln.



Der Begriff des Grenznutzens ist in der Grenznutzenschule von GOSSEN, MENGER, JEVONS, WALRAS u.a. geprägt worden. Auf das Problem der Unternehmensbewertung bezogen ist der Grenznutzen kardinaler Natur, das heißt er ist in Geldeinheiten messbar. In diesem Zusammenhang versteht man unter dem Grenznutzen beispielsweise die Zunahme des dem Investor zufließenden Zahlungsstromes bei Zunahme des Beteiligungsportfolios um eine ganzzahlige Mengeneinheit (beispielsweise um eine Aktie).



Außerdem wird der Zahlungsstrom, wie bereits hervorgehoben, von den Restriktionen des Entscheidungsfeldes beeinflusst. Die stärkste und bedeutendste Restriktion ist ein unvollkommener Kapitalmarkt, der bei der Bewertung von Zahlungsströmen erhebliche Probleme aufwirft. Zu den Unvollkommenheiten des Kapitalmarktes gehören unterschiedliche Zinssätze für Geldanlagen und Kredite, laufzeitabhängige Zinssätze, beschränkte Zugänge zum Kapitalmarkt, Störungen in der Kreditvergabe durch Banken usw. Dabei hat die Höhe des Kalkulationszinses den größten Einfluss auf die Bewertung. Unter den Bedingungen der Unsicherheit oder des Risikos ist der Kalkulationszins als eine von der individuellen Entnahmezielsetzung und dem Entscheidungsfeld abhängige subjektive Größe zu verstehen. Einen derartigen Grenzzins bezeichnet SCHMALENBACH als optimale Geltungszahl.



Nach Handlungsmöglichkeiten und Restriktionen stellt die Offenheit des Entscheidungsfeldes die dritte Herausforderung bei der Unternehmensbewertung dar. Unsicherheit und Risiko halten ein Entscheidungsfeld offen. Der Bewerter muss also Annahmen bezüglich der Eintrittswahrscheinlichkeit der geplanten Cash Flows sowie hinsichtlich des Planungshorizonts, der Lebensdauer des zu bewertenden Unternehmens, der Wahl der Bewertungsmethode, der Höhe des Kalkulationszinses und seiner Entwicklung im Zeitablauf usw. treffen. Diese Annahmen sind ihrer Natur nach stets subjektiv. Plausibilität und Nachvollziehbarkeit dieser Annahmen schließen das Entscheidungsfeld nur künstlich.



Aufgrund dieser Offenheit des Entscheidungsfeldes sind der zu erwartende Zukunftserfolg des Unternehmens und der Unternehmenswert stets mehrwertig. Dabei gilt: Je größer Unsicherheit bzw. Risiko sind, desto größer ist die Bandbreite der Unternehmenswerte. Oder mit anderen Worten: "Garbage in - garbage out !"

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