Sonntag, 2. August 2009

Wert und Preis in der Unternehmensbewertung


In der Bewertungstheorie ist die Beziehung zwischen Wert und Preis einer Unternehmung von grundlegender Bedeutung. 1962 hat ENGELS zu diesem Thema einen weitsichtigen Beitrag veröffentlicht:

Während Ruf der Meinung ist, daß Preis und Wert grundsätzlich begrifflich getrennt werden sollen, identifizieren eine große Anzahl anderer Autoren die Begriffe. Innerhalb dieser Literatur bestehen erhebliche Differenzierungen. So trifft man als Wert einen irgendwie modifizierten historischen Preis, z.B. als Buchwert, den Tageszeitwert oder Marktwert (auch als Liquidations- oder Versilberungswert), den Wert als geschätzten oder als Normalpreis.

Dem Wert als historischem Preis liegt die objektive Werttheorie der Volkswirtschaftslehre zugrunde (diese ist nicht Wertobjektivismus). Die objektive Werttheorie behauptet, daß der Marktmechanismus Kosten und Preis sowie Wert und Preis stets in Übereinstimmung bringe. So beruht die Heranziehung des Substanzwertes in der Unternehmensbewertung darauf, daß angenommen wird, der Unternehmenswert würde durch die Kräfte des Marktes langfristig stets auf den Substanzwert herabgedrückt. Darüber hinaus wird unterstellt, daß jede historische Anschaffung und Produktion sinnvoll war. Das eigentliche Bewertungskalkül wird in den Prämissen des Wertbegriffs aufgelöst. Der Begriff wird deshalb auch im jüngeren Schrifttum generell mit dem Hinweis abgelehnt, daß die unterstellten ideal - typisch - konkurrenzwirtschaftlichen Bedingungen nicht gegeben seien. Das Bewerten wird hier tautoligisiert: Aus der Tatsache, daß ein Preis gezahlt wurde, wird geschlossen, daß ein entsprechender Wert vorhanden sein müsse und umgekehrt, daß die Preise der Güter genau ihre Werte darstellen. Die Möglichkeit des Irrtums - Fehlinvestitionen, falsche Preisbildung -, die durch Bewertung gerade verhindert werden soll, wird begrifflich ausgeschlossen. Dieser Wertbegriff ist deshalb nicht brauchbar.

Die Forderung Rufs, Wert und Preis seien begrifflich zu trennen, ist deshalb einleuchtend. Allerdings möchte Ruf die Trennung so verstanden wissen, daß ein Preis nicht mehr gleichzeitig als Wert bezeichnet werden solle. Nun sind allerdings "Wert" und "Preis" verschiedene Begriffskategorien; während "Wert" eine Rangordnung von Handlungsweisen oder Gegenständen darstellt, ist "Preis" das Austauschverhältnis der Güter am Markt. Es sei ein Vergleich gebraucht: Ein Stein kann ein Verkehrshindernis sein; Rufs Forderung auf dieses Bild übertragen, würde lauten, daß Steine nur noch als Steine, nicht mehr als Verkehrshindernisse bezeichnet werden sollen.

Der Wert wird ganz formal durch eine bestimmte Stellung im Entscheidungskalkül bezeichnet, während der Preis eine Markttatsache ist. Jeder Preis kann in einem Entscheidungskalkül als Wert betrachtet werden. Der Verkaufspreis eines Gutes ist im Entscheidungskalkül des Verkäufers der Wert der Handlungsmöglichkeit "Verkauf", in der Überlegung des Käufers der Wertentgang der Alternative "Einkauf" (dem ein positiver Nutz- oder Verwendungswert gegenübergestellt wird). Der Geldbetrag, der beim Eigentumsübergang eines Gutes in umgekehrter Richtung übergeht, wird dann "Preis" genannt, wenn er als Markttatsache gekennzeichnet werden soll, in den Kalkulationen der Marktparteien wird derselbe Betrag jedoch zum "Wert". Damit ist eine begriffliche Trennung von Wert und Preis durchgeführt.

Ganz entsprechend wäre die Ansicht zu kritisieren, daß Werte lediglich in Preisen bestehen können. In der betriebswirtschaftlichen Bewertung tauchen vielmehr Werte auf, die nicht Preise sind und sich auch nicht aus Preisen herleiten. Das gilt z.B. im allgemeinen vom Kapitalwert einer Investition, Werte können jedoch auch als alternativ verdrängter Gewinn oder kalkulatorische Beträge auftreten.

Die gemeinsame Wurzel der Vorstellungen, daß der Wert eine Eigenschaft eines Gutes, wie auch, daß der Preis mit dem Wert identisch sei, liegt in dem Bestreben der Betriebswirte, "objektive" wissenschaftliche Erkenntnisse zu erzielen. Mögen auch die Ergebnisse eindeutig sein, so sind sie doch, wie im Falle des Wertobjektivismus, nicht mehr wissenschaftlich oder, wie bei der Identifikation von Wert und Preis, unfruchtbar.

Daß tatsächlich ein praktisches Bedürfnis besteht, einem Gegenstand eine und nur eine Wertziffer zuzuordnen, wird später noch zu erötern sein. Diese Werte sind aber nicht objektiv in dem von der Betriebswirtschaftslehre geforderten Sinne, sondern Konventionen. Darin liegt keine Abwertung dieses Zweiges der Bewertungslehre, denn den Wertkonventionen kann eine außerordentliche Bedeutung zukommen; darin liegt nur eine Entmythologisierung, die für eine fruchtbare Diskussion dieser "objektiven" Werte dringend notwendig ist.
Aus diesem Text von Wolfgang Engels muss man sich angesichts der gegenwärtigen Kredit- und Bankenkrise folgendes Zitat merken:
"Aus der Tatsache, daß ein Preis gezahlt wurde, wird geschlossen, daß ein entsprechender Wert vorhanden sein müsse und umgekehrt, daß die Preise der Güter genau ihre Werte darstellen. Die Möglichkeit des Irrtums - Fehlinvestitionen, falsche Preisbildung-, die durch Bewertung gerade verhindert werden soll, wird begrifflich ausgeschlossen. Dieser Wertbegriff ist deshalb nicht brauchbar."

(Engels, Wolfgang: Betriebswirtschaftliche Bewertungslehre im Licht der Entscheidungstheroie, in: Band 18 der Beiträge zur betriebswirtschaftlichen Forschung, Köln und Opladen 1962, S. 37-39 / Ruf: Die Grundlagen eines betriebswirtschaftlichen Wertbegriffes, Bern 1955)

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