Freitag, 27. November 2009

Vernetzung erhöht den Unternehmenswert?!


Wegen der fortschreitenden Vernetzung von Unternehmen stellen sich bei der Unternehmensbewertung drei Kardinalfragen:

  1. Was ist "vernetzendes Unternehmertum" bzw. was ist "Unternehmertum in Netzwerken"?

  2. Welche Schwierigkeiten gibt es bei der Bewertung unternehmerischer Gelegenheiten in vernetzten Unternehmen?

  3. Wie sieht es mit empirischen Nachweisen für eine Erhöhung des Unternehmenswertes durch Vernetzung aus?
Zu 1.


Klaus FICHTNER hat in seiner 2005 veröffentlichten Habilitationsschrift (Interpreneurship: Nachhaltigkeitsinnovationen in interaktiven Perspektiven eines vernetzenden Unternehmens, Marburg) den Begriff Interpreneurship geprägt. Dieses Konzept beschreibt die unternehmerische Rolle der Erzeugung neuer mentaler, organisationaler, institutioneller und intertemporaler Beziehungen (Netze) und die unternehmerische Rolle der Gestaltung und Nutzung von Akteursinteraktionen als Basis für die Entdeckung und Durchsetzung neuer Problemlösungen. Interpreneurship lässt sich somit sowohl als vernetzendes Unternehmertum wie auch als Unternehmertum in Netzwerken charakterisieren. Im Grunde geht es dabei um das Wechselspiel zwischen unternehmensinternen und unternehmensexternen Elementen bzw. Kräften.

Zu 2.


Die Bewertung unternehmerischer Gelegenheiten ist von besonderer Bedeutung. Die Fähigkeit, gute Geschäftsmöglichkeiten zu erkennen und umsetzen zu können ist der wichtigste Erfolgsfaktor eines Unternehmens. Dieser Erfolgsfaktor ist weder imitierbar noch reproduzierbar und deshalb wichtig zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen. Einige der global bedeutendsten Unternehmen haben es derartigen Fähigkeiten zu verdanken, dass sie in ihrer Frühphase (Start - up) sogar ohne Businessplan erfolgreich gewesen sind. Jüngstes Beispiel ist Chad Hurley, Mitgründer und CEO von youtube.




Ronny BAIERL hat FICHTNERs Konzept des Interpreneurship aufgegriffen. Er befasst sich im Rahmen seines Dissertationsvorhabens mit der interessanten Frage nach der Bewertung unternehmerischer Gelegenheiten (Opportunities) in vernetzten Unternehmen. In vernetzten Unternehmen werden Entscheidungen für oder gegen eine unternehmerische Gelegenheit häufig von mehreren Personen getroffen. Zu den dabei auftretenden Schwierigkeiten schreibt BAIERL:

Solche Mehrpersonenentscheidungen können als konstituierendes Merkmal sowohl im Bereich der Intra- als auch in der Interpreneurshipforschung bezeichnet werden, wenngleich sie ebenfalls bei der Bewertung einer Opportunity in Gründerteams auftreten können. Während jedoch auf der Ebene der Entre- beziehungsweise Intrapreneurshipforschung die Entscheidungsträger ausschließlich einer (noch zu gründenden) Unternehmung angehören, können sie im Interpreneurship in unterschiedlichen Organisationen verbunden sein. Hierbei kommen zunächst Unternehmungen entlang der auf Porter zurückzuführenden Wertschöpfungskette - klassischerweise Zulieferer - Hersteller - Absatzmittler in Frage. Diese enge Auffassung kann jedoch auf andere Teilnehmer eines bestehenden Netzwerks - wie beispielsweise kooperierende Forschungsinstituionen oder sogar auf die insbesondere aus Marketingsicht relevante Kundenperspektive - erweitert werden. Dieses Vorgehen lässt sich schon allein aus der geforderten Marktorientiertheit allen unternehmerischen Handelns legitimieren. Die nachvollziehbare Abbildung der Entscheidungsfindung in einem solchen Gefüge stellt hohe Anforderungen an die zugrunde liegenden Methoden und Instrumente. Im Rahmen der bevorstehenden Arbeit wird ein Verfahren vorgestellt, das ausgehend von einer - vor allem aus dem Marktforschungsbereich stammenden - Limit-Conjoint-Analyse auf diesen Anwendungsbereich übertragen wurde. Zu diesem Zweck müssen in einem ersten Schritt die für die Bewertung der Opportunity verantwortlichen Personen im Netzwerk der Unternehmung identifiziert werden, um anschließend deren Einflusswerte auf die Gesamtentscheidung statistisch ermitteln zu können. Hierdurch wird zum einen die Modellierung des Entscheidungsprozesses ermöglicht sowie zum anderen durch eine Modifikation des bestehenden Verfahrens die Validität und Reliabilität und damit letztendlich die Aussagekraft des erhobenen Datenmaterials erhöht. Im weiteren Fortgang der Untersuchung dienen diese Daten der Examination eines spezifischen Rollenverhaltens der unternehmensinternen Entscheidungsträger. So ist zu vermuten, dass diesen - ähnlich dem Verhalten bei Entscheidungen in organisationalen Beschaffungsprozessen - eindeutig identifizierbare Rollen zugeordnet werden können. Des Weiteren können mit Hilfe der generierten Einflusswerte sowohl Promotoren als auch Opponenten identifiziert werden. Neben Fach-, Macht- und Prozesspromotoren beziehungsweise -opponenten ist im Rahmen der Interpreneurshipkonstruktion vor allem dem Beziehungspromotor besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Ergänzend zeigt sich an dieser Stelle die Abgrenzung des Interpreneurship zu dem augenscheinlich eng verwandten Gebiet des Innovationsmanagement: Ausgehend von der Entrepreneurshipdomain von Shane, die die Verbindung zwischen Opportunity und Individuum (in diesem Fall dem Entrepreneur) in den Vordergrund stellt, findet sich dieses konstituierende Merkmal ebenso auf dem Gebiet des Interpreneurship. Dies wird durch den ebenfalls auf die persönlichen Ressourcen des Entrepreneur abzielenden Effectationsansatz gestützt. Diesem Ansatz folgend werden vor allem in Entscheidungssituationen höchster Unsicherheit - wie sie im Entrepreneurship aufgrund des hohen Innovationsgrads vorzufinden sind - selbstgewählte Stakeholder in einem persönlichen Netzwerk proaktiv zusammengestellt und zur Umsetzung der Opportunity am Markt genutzt. Folgerichtig bedeutet dies für das Interpreneurship, die Ressourcen für die erfolgreiche Umsetzung einer Opportunity nicht nur in der eigenen Unternehmung - wie dies beim Intrapreneurship der Fall wäre - zu suchen, sondern aktiv das Netzwerk der Unternehmung zu nutzen. 

(Ronny Baierl / Dietmar Grichnik: Interpreneurship - Inflationäre Erweiterung der Entrepreneurshipforschung oder wertorientierte Managementkonzeption?, in: Finanzbetrieb, Juni 2008, S. 453-456)



Zu 3.


Die Erfassung des "interpreneuralen" Charakters des Unternehmensnetzwerkes ist schwierig. 


Ronny BAIERL zieht Einträge in etablierten Firmendatenbanken bezüglich des Investitionsverhaltens in unternehmerische Gelgenheiten vernetzter Unternehmen heran, so genanntes Corporate Venture Capital. Um empirisch evidente Aussagen zu generieren, müssen diese Daten mit denen gegensätzlicher Unternehmen konfrontiert werden. 


Man darf auf die Ergebnisse dieses wichtigen Dissertationsvorhabens gespannt sein. 






Dipl. oec. Ronny Baierl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand von Prof. Dr. Dietmar Grichnik am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Unternehmertum und Existenzgründung, Stiftungslehrstuhl der Prof. Otto Beisheim - Stiftung, an der WHU - Otto Beisheim School of Management, Vallendar.














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