Montag, 7. Dezember 2009

Haben deutsche Banken eine Finanzierungslücke?

Die gängigen Modelle zur Unternehmensbewertung setzen, wenn nicht einen vollkommenen, so doch einen funktionierenden Kapitalmarkt, voraus. Wer ein Unternehmen kaufen will, muss die Möglichkeit haben, für diesen Zweck eine Finanzierung zu erhalten.

In den letzten Wochen wurde über die Funktionsfähigkeit des deutschen Kapitalmarktes unter dem Aspekt der Kreditvergabe durch das Bankensystem diskutiert. Die Medien berichten in diesem Zusammenhang gerne über eine Kredithürde bzw. eine Kreditklemme. Dabei wird zu wenig bzw. überhaupt nicht berücksichtigt, dass die Kreditdynamik stets mit einer Verzögerung der konjunkturellen Entwicklung folgt. Andererseits muss man im Auge behalten, ob bzw. in welchem Maße das Bankensystem bei der Refinanzierung von Krediten Schwierigkeiten hat.


Als Finanzierungslücke bezeichnet man das Verhältnis von Krediten an Nichtbanken zu Einlagen von Nichtbanken. Diese Lücke muss eine Bank oder ein Bankensystem über Refinanzierung an Wholesale - Märkten schließen. In Krisenzeiten kann daraus ein Problem entstehen, wenn die Refinanzierungsmärkte durch hohe Unsicherheit über die Bonität der Gegenparteien plötzlich austrocknen.


Untersuchungen zur Mittelbeschaffung der Banken zeigen, dass die Finanzierungslücke in den Jahren vor dem Ausbruch der Finanzkrise in vielen Ländern deutlich gestiegen ist. Vielfach haben sich die Banken zunehmend auf alternaltive Finanzierungsquellen - insbesondere mehr Kapitalmarktfinanzierungen - verlassen. Die internen Verrechnungspreise, die das Liquiditätsmanagement den einzelnen Geschäftssegmenten stellte, beinhalteten jedoch häufig keine adäquate Prämie für das höhere Liquiditätsrisiko. Die Reduzierung dieser Finanzierungslücke gilt als unerlässlich. Banken dürften ihre Refinanzierung daher wieder stärker auf das Einlagengeschäft mit Privatkunden stützen.


Für die großen EU - Banken zeigen Analysen der EZB und der Bank of England bis zum zweiten Halbjahr 2008 einen Anstieg der durchschnittlichen Finanzierungslücke. Für die großen (Universal-) Banken in Deutschland (und für das deutsche Bankensystem als Ganzes) lag das Ausgangsnieveau der Finanzierungslücke vor Ausbruch der Krise mit einem Wert von 1,4 um gut 6 % niedriger als im Durchschnitt großer EU - Banken. Die zeitliche Entwicklung der Finanzierungslücke zeigt zudem, dass diese in Deutschland bereits seit einigen Jahren zurückgeht - vom Allzeithoch von 1,56 (Frühjahr 2001) auf inzwischen etwa 1,3.


Der starke Rückgang bei den deutschen Großbanken und Sparkassen im zweiten Halbjahr 2007 geht sowohl auf einen stagnierenden Kreditbestand als auch auf einen Anstieg der Verbindlichkeiten gegenüber Nichtbanken zurück. Mit der Krisenverschärfung im September 2008 hat sich der Rückgang der Finanzierungslücke beschleunigt. Stärker noch als zuvor erklärt sich dies durch einen Anstieg der Verbindlichkeiten gegenüber Nichtbanken, die in der Krise vermehrt (staatlich garantierte) Bankeinlagen tätigen.


Das deutsche Bankensystem unterscheidet sich somit sowohl in der Ausgangssituation als auch im bereits erkennbaren Anpassungsverhalten signifikant vom Durchschnitt der Banken in der EU. Ein hoher Rückgriff auf Wholesale - Finanzierungen ist in Deutschland weniger ein Merkmal des Bankensystems insgesamt als vielmehr für einzelne Institute. Gleichwohl kann eine ausgeprägte Abhängigkeit von Kapitalmarktfinanzierung einzelner Banken ein systemisches Problem schaffen.


Fazit


Im EU - Vergleich ist das deutsche Bankensystem in einer eher günstigen Refinanzierungs - Situation. Gleichwohl haben einzelne Banken infolge einer ausgeprägten Abhängigkeit von Kapitalmarktfinanzierung mit Schwierigkeiten zu kämpfen.



(Quelle: DEUTSCHE BUNDESBANK Eurosystem, Finanzstabilitätsbericht 2009)

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