Sonntag, 31. Januar 2010

Zur Berechnung von Eigenkapitalrenditen deutscher Unternehmen



Nach der Zuspitzung der Finanzkrise im Herbst 2008 wurde häufiger festgestellt, dass insbesondere die großen Investmentbanken in der Vergangenheit Eigenkapitalrenditen angestrebt hätten, die nur um den Preis sehr hoher Risiken zu erreichen gewesen seien. Dies habe zu einer starken Kurzfristorientierung und damit auch maßgeblich zu den Verwerfungen an den Finanzmärkten beigetragen. Von Bankenvertretern ist dem jedoch entgegengehalten worden, dass in den letzten Jahren auch im nichtfinanziellen Sektor hohe Eigenkapitalrenditen erwirtschaftet worden seien. Dabei wurde jedoch in problematischer Weise auf Daten der Unternehmensbilanzstatistik der Bundesbank zurückgegriffen, die im Rahmen der jährlichen Berichterstattung im Monatsbericht über die Ertragslage und die Finanzierungsverhältnisse deutscher Unternehmen sowie in Statistischen Sonderveröffentlichungen publiziert werden.

In den Bundesbank - Veröffentlichungen werden - aus Gründen, die im Folgenden näher erläutert werden - allerdings keine Eigenkapitalrenditen berechnet oder analysiert. Vielmehr wird dort erklärtermaßen auf die Umsatzrendite abgestellt, die im Vergleich zur Eigenkapitalrendite als Renditemaß deutlich weniger interpretationsbedürftig ist , nicht so stark mit der Unternehmensgröße variiert und weniger von rechtsformspezifischen Faktoren sowie bilanzpolitischen Gestaltungsoptionen abhängig ist. 

Die Eigenkapitalrendite vor Steuern ergibt sich rein rechnerisch, indem der Jahresüberschuss vor Gewinnsteuern auf das bilanziell ausgewiesene Eigenkapital bezogen wird. Insbesondere für kleine Firmen würde eine solche - wie sich zeigen wird viel zu schlichte - Berechnung außerordentlich hohe Werte ergeben. Mit Abstand an der Spitze rangiertem im Jahre 2007 die Unternehmen des Einzelhandels (ohne Kfz - Handel) mit weniger als 2 Mio € Umsatz, die auf eine Eigenkapitalrendite vor Gewinnsteuern von 129 1/2 % kämen. In den Unternehmen dieser Branche mit einem Umsatz von 2 Mio € und mehr lägen die entsprechenden Kennziffern zwar deutlich niedriger, aber mit mehr als 40 % immer noch sehr hoch, obwohl der Einzelhandel wegen der Anfang 2007 wirksam gewordenen Mehrwertsteuererhöhung gesamtwirtschaftlich gesehen auf der Schattenseite stand. In den anderen Wirtschaftsbereichen wären die Diskrepanzen zwischen den Größenklassen weniger ausgeprägt: Für die großen Firmen im Großhandel (mehr als 50 Mio € Umsatz) errechnete sich eine Eigenkapitalrendite von 31 % und für die kleinen (weniger als 2 Mio €) von 46 1/2 %. Die vergleichbare Bandbreite in der Industrie reichte von 24 1/2 % bis zu 52 % und für die in der Unternehmensbilanzstatistik erfassten Wirtschaftsbereiche insgesamt von 25 % bis 62 1/2 %.

Diese Zahlen sind allerdings offenkundig nicht zum Nennwert zu nehmen. Denn die hohen Werte für die kleinen Unternehmen, die zu einem erheblichen Teil als Einzelunternehmen oder Personengesellschaften geführt werden, sind auf die im Durchschnitt geringere bilanzielle Ausstattung mit Eigenkapital zurückzuführen. Daraus ergibt sich unmittelbar eine starke Hebelwirkung auf die Eigenkapitalrendite. Dieser unteer anderem aus steuerlichen Gründen minimierte Eigenkapitalausweis spielgelt hier jedoch zumeist nur einen Teil der tatsächlich vorhandenen haftenden Mittel wider. So gibt es für den oder die Eigentümer eines Einzelunternehmens beziehungsweise einer Personengesellschaft einen beträchtlichen Spielraum, Vermögensgegenstände der privaten oder der betrieblichen Sphäre zuzuordnen. Aus steuerlicher Sicht war es, etwa wegen der günstigeren Behandlung der Veräußerungsgewinne, lange Zeit attraktiv, Finanzanlagen im Privatvermögen zu halten; bei Immobilien gilt dies immer noch. Aus der Haftungsperspektive ist letztlich aber nur relevant, dass bei Einzelunternehmen die Eigentümer und bei Personengesellschaften zumindest ein Teil der Gesellschafter auch mit dem nichtbilanzierten Vermögen für die Firmenverbindlichkeiten haften. Hinzu kommt, dass Teile des Privatvermögens häufig bei der Beschaffung von Firmenkrediten als Sicherheiten eingebracht werden. Damit ist die bilanzielle Zuordnung aus Sicht der Kredit gebenden Bank von geringerer Bedeutung. Stellte man dies korrekterweise in Rechnung, dann fiele die Eigenkapitalrendite naturgemäß niedriger aus. In die gleiche Richtung wirkt, dass die Sollzinsen im Unternehmen wegen ihrer Abzugsfähigkeit ebenfalls Anreize bieten, Kreditaufnahmen in die betriebliche Sphäre zu verlagern. Im Ergebnis führt dies dazu, dass die Bilanzen von Nichtkapitalgesellschaften oftmals den finanziellen Status erheblich ungünstiger darstellen, als er aus wirtschaftlicher Sicht ist.

Darüber hinaus reflektiert ein Teil des Jahresergebnisses von Einzelfirmen und Personengesellschaften keinen Gewinn im wirtschaftlichen Sinne, sondern stellt die Entlohnung für den Arbeitseinsatz des Unternehmers dar. Dabei fällt der kalkulatorische Unternehmerlohn - gemessen am gesamten Jahresergebnis - umso stärker ins Gewicht, je kleiner die Firma ist. Würde man den Gewinn um einen angemessen erscheinenden Unternehmerlohn bereinigen, so würden die Eigenkapitalrenditen - und auch die Umsatzrenditen - vor allem der kleinen Unternehmen systematisch deutlich niedriger ausfallen.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, Vergleiche von Eigenkapitalrenditen auf die Kapitalgesellschaften zu beschränken, die weniger Ermessensspielräume hinsichtlich der Zuordnung des haftenden Kapitals zulassen und in denen der Personalaufwand für die Geschäftsführung bei der Gewinnermittlung in Abzug gebracht wird. In dieser Abgrenzung lag die hochgerechnete Eigenkapitalrendite vor Steuern mit 25 1/2 % im Jahr 2007 - einem gemessen am langfristigen Durchschnitt von 19 1/2 % besonders guten Jahr - beträchtlich unter dem Niveau für die Unternehmens insgesamt (36 1/2 %). Zum anderen waren die Unterschiede nach Größenklassen bei Weitem nicht so ausgeprägt wie in der Rechnung für alle Rechtsformen; die Spanne, die von 22 1/2 % bis 36 % reichte, war nur etwa halb so groß wie bei den Unternehmen insgesamt. Die Kennziffern für die Wirtschaftsbereiche streuten ebenfalls deutlich weniger.

Für Kapitalgesellschaten lassen sich außerdem - anders als für die Nichtkapitalgesellschaften - anhand der Angaben aus der Unternehmensbilanzstatistik auch Eigenkapitalrenditen nach Gewinnsteuern errechnen. Die Nettoeigenkapitalrendite der Kapitalgesellschaften lag im Spitzenjahr 2007 mit knapp 18 % um 5 1/2 Prozentpunkte unter der Bruttogröße. Zudem waren die Unterschiede zwischen den Größenklassen erheblich geringer als in der Bruttorechnung; die Bandbreite erstreckte sich von 17 1/2 % bei den großen Firmen bis zu 25 % in der unteren Größenklasse. Darüber hinaus war die Spanne der Nettorenditen innerhalb der einzelnen Wirtschaftsbereiche relativ klein.

Allerdings sind auch bei den Kapitalgesellschaften, und zwar unabhängig von der Größe der Firmen, verzerrende Effekte auf das Eigenkapital über den Bilanzzusammenhang wirksam, die systematisch zu einer Unterzeichnung des Nenners führen. So weichen die nach den Bewertungsregeln des HGB ermittelten Buchwerte der Aktiva teilweise deutlich nach unten von den Marktwerten ab, und es entstehen stille Reserven. Auf der Passivseite der Bilanz führt dies in der Tendenz zu einem - gemessen an den Marktwerten - zu niedrigen Eigenmittelausweis und zu überhöhten rechnerischen Eigenkapitalrenditen.
Die statistisch ermittelte durchschnittliche Eigenkapitalrendite der Kapitalgesellschaften lag im nichtfinanziellen Sektor im Jahr 2007 und auch im langfristigen Durchschnitt sowohl vor als auch nach Steuern deutlich über dem Sollzins der Unternehmen für ausstehende Bankkredite. Unbedingt mit ins Bild gehört hierbei, dass die Eigenkapitalrendite eine hohe Volatilität aufweist. Abgesehen von Marktlagengewinnen spiegelt sie vor allem die Prämie für das spezifische unternehmerische Risiko wider, das der Eigenkapitalgeber zu tragen hat. Es ist deshalb von erheblicher Bedeutung, in welchem Umfang Risiken zur Erreichung der Renditeziele akzeptiert werden. Denkbar ist zum Beispiel, dass eine strukturelle Ertragsschwäche durch die Übernahme hoher operativer Risiken oder die Inkaufnahme eines hohen Verschuldungsgrades überspielt wird. Das erhöht unmittelbar die Krisenanfälligkeit von Unternehmen. Mit einem einfachen Renditevergleich - unter Ausblendung des Risikogehaltes - lässt sich deshalb recht wenig zur wirtschaftlichen Nachhaltigkiet von Geschäftsmodellen sagen. 

(DEUTSCHE BUNDESBANK: Monatsbericht 2010, S. 20-21)


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